KI und Journalismus: Möglichkeiten, Tools und Technologien

Wie umfangreich findet der Einsatz Künstlicher Intelligenz im Journalismus bereits statt und welche Chancen bietet KI der Medienbranche? Eine Analyse.

Redet man von AI oder Künstlicher Intelligenz im Zusammenhang mit Journalismus, ist häufig der Einsatz von „Robot Journalism“ gemeint, also Algorithmen, die Daten in Texte übersetzen können. 2019 berichtete die New York Times, dass bereits rund ein Drittel des von Bloomberg veröffentlichten Contents unter Zuhilfenahme einer automatisierten Technologie entsteht. Das von Bloomberg eingesetzte System hört auf den Namen Cyborg und kann einen Finanzreport unmittelbar nach Erscheinen analysieren und eine News-Story mit den wichtigsten Fakten aus den Informationen erstellen. Auch die selbstentwickelte Technologie der Washington Post, Heliograf, ist bereits seit 2019 aktiv und hat gleich im ersten Jahr rund 850 Artikel geschrieben, unter anderem rund um die Olympischen Spiele in Rio.

Doch dies sind nur zwei der bekanntesten Beispiele für den Einsatz von Automatisierungstechnologien im Journalismus, die Entwicklung geht viel weiter. Auch in Deutschland etwa setzen Medienhäuser auf entsprechende Technologien. So wurden durch die Software des Unternehmens Retresco bereits Wahlergebnisanalysen für RP Online erstellt,  das Innovationslabor „HHLab“ der NOZ Mediengruppe entwickelt entsprechende Werkzeuge und auch die Süddeutsche Zeitung gibt an, KI-Technologien einzusetzen. Die Stuttgarter Zeitung hat als einer der Pioniere unter den deutschen Medienunternehmen zudem gemeinsam mit der Firma Arvato eine Technologie entwickelt, die automatisiert Polizeimeldungen analysiert und die enthaltenen Informationen in vorgefertigte Kategorien auf eine „Crimemap“ überträgt. Die als Leserservice angelegte Übersicht enthält mittlerweile Meldungen, die bis 2014 zurückgehen.

Ausschlaggebend für den Einsatz von KI im Journalismus ist dabei häufig die Tatsache, dass entsprechende Technologien auch sehr große Datenmengen effizient und extrem zuverlässig analysieren können – und dabei auf kleinste Details aufmerksam werden. So kommen KI-Technologien verstärkt im Wirtschaftsjournalismus zum Einsatz, wenn es darum geht, Finanzberichte auszuwerten oder bei der Analyse von Wahlergebnissen. Zwar werden aus diesen Analysen vielfach auch automatisiert Artikel erstellt und veröffentlicht, doch letztlich liegt es immer noch an den Journalist:innen, die Story hinter den Daten zu entdecken und in größerem Umfang zu entwickeln.  Es geht beim „Robot Journalism“ also weniger darum, durch automatisiertes Erstellen von Texten Redakteur:innen, Journalist:innen und Autor:innen zu ersetzen, als vielmehr durch die Automatisierung von Routinetasks und die gezielte und umfassende Analyse großer Datenmengen Freiraum für tiefergehende journalistische Tätigkeiten zu schaffen. Aber natürlich: Wer als Journalist lediglich die Ergebnisse von Fußballspielen unkommentiert textlich aufbereitet, läuft langfristig Gefahr, dem „Robot Journalism“ zum Opfer zu fallen.

KI bedeutet nicht nur Roboterjournalismus

Neben der Recherche und Datenanalyse bietet der Einsatz von KI im Journalismus weitere, die Entwicklung von Medienunternehmen unterstützende Möglichkeiten – zum Beispiel in Bezug auf die Analyse von Leserverhalten, die daraus resultierende Personalisierung von Inhalten oder die Analyse von Leserfeedback und Kommentaren. Focus Online etwa hat für sich den so genannten „Constructive Score“ entwickelt, der Aufschluss darüber gibt, wie „konstruktiv“ also lösungsorientiert die Inhalte der Nachrichtenseite zu jedem Zeitpunkt sind. Als konstruktiv gilt dabei, was über die reine Berichterstattung hinausgeht und Problemlösungen anbietet oder andeutet, so Florian Festl, Chefredakteur des Nachrichtenportals. Zur Einführung einer entsprechenden Metrik hat man dabei laut Burda 10.000 redaktionelle Beiträge, Teaser und Überschriften analysiert und auf ihre Lösungsorientiertheit geprüft. Diese Analyse bildete die Grundlage für eine entsprechende KI-Technologie. „Nach dem Einspeisen dieser Inhalte konnte die Maschine über Monate hinweg lernen, welche Auswirkungen einzelne Wörter, Wortreihenfolgen oder semantische Kombinationen auf die Konstruktivität eines Artikels haben.“, so Burda. Durch die Kombination eines daraus resultierenden Scores mit einem speziellen Live-Feedback kann die Redaktion jederzeit sehen, als wie lösungsorientiert ein Beitrag empfunden wird und gegebenenfalls – sofern möglich – lösungsorientiert optimieren. Wie auch immer man nun inhaltlich zu diesem Ansatz eines stets lösungsorientierten Journalismus stehen mag, so zeigt dieses Beispiel doch, welches Potential entsprechende Technologien bieten. 

Ein weiteres Beispiel für den Einsatz von KI für einen smarteren und optimierten Leserservice ist die Technologie Voitto des finnischen Medienunternehmens Yle. Voitto ist gleichzeitig Roboterjournalist und erstellt eigene Texte sowie personalisierter News-Assistent auf den Endgeräten der Nutzer. Als Teil der NewsWatch-App befindet sich Voitto auf dem Lockscreen der User und spielt Empfehlungen für neuen News-Content aus. Diese Empfehlungen sind dabei nicht nur auf den Anwender zugeschnitten, sondern basieren auch auf journalistischen Prinzipien. Das zeigt sich zum Beispiel in der Tatsache, dass Anwendern zwei unterschiedliche Artikel mit verschiedenen Perspektiven zum gleichen Thema vorgeschlagen werden können. So sollen Leserinnen und Leser auch dazu herausgefordert werden, ihren Horizont zu erweitern.

Eine moderne digitale Publishingplattform wie Sprylabs Purple DS etwa integriert KI-Technologie zudem bereits in unterschiedlichen Ausprägungen ­– von automatisierten Affilitate-Verlinkungen bis zu saisonalen Themenvorschlägen für Redakteure. Und mit der Printanbindung tohoop wird eine solche Publishingplattform sogar um die Möglichkeiten der KI-basierten Erstellung von Printlayouts erweitert.

Fazit

Der Einsatz von KI in Medienunternehmen bedeutet weder das zwangsläufige Aussterben des Journalismus noch die sinkende Verlässlichkeit von Medien – im Gegenteil. KI-Technologien können die Arbeit von Redaktionen unterstützen und eine Steigerung der journalistischen Qualität bedeuten. Jedenfalls, sofern diese Technologien sinnvoll und von journalistischen Prinzipien geleitet in die redaktionelle Arbeit integriert werden. Dies ist umso wichtiger als man schon jetzt existierende KI-Sprachmodelle nicht unterschätzen sollte. Mit entsprechenden Technologien lassen sich bereits hochauthentische Texte generieren, die mitunter kaum von Texten mit echter „Autorenschaft“ zu unterscheiden sind. Vorsicht im Umgang mit entsprechenden Technologien ist also geboten – zumal zum Beispiel noch keine entsprechende Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Text existiert.

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